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Filmkritiken

Ryans Tochter

»Unemployment is a dangerous occupation!«

Father Collins

»Ryans Tochter«
(Ryan’s Daughter), UK 1970
Darsteller: Sarah Miles, Trevor Howard, Robert Mitchum, Christopher Jones, John Mills, Barry Foster, Leo McKern
Regie: David Lean
Buch: Robert Bolt
Kamera: Freddie Young
Musik: Maurice Jarre

In einem kleinen irischen Dörfchen zur Zeit des Osteraufstands 1916 lebt Rose (Sarah Miles), die Tochter des Pubbesitzers Ryan (Leo McKern). Sie träumt von einem interessanten Leben, schwärmt für den viel älteren, verwittweten Dorfschulmeister (Robert Mitchum) und heiratet ihn schließlich, obwohl der Lehrer nicht so recht überzeugt ist, dass das gut gehen wird.

Es geht auch wirklich nicht lange gut. Rose ist unzufrieden, ohne recht zu wissen, was ihr fehlt. Das kann sie jedoch nur gegenüber dem Pfarrer Collins (Trevor Howard) eingestehen. Als sie den neu in den Ort abkommandierten englischen Kriegshelden Doryan (Christopher Jones) kennenlernt, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn.

Natürlich wissen alle im Dorf im Handumdrehen Bescheid, nicht zuletzt wegen einer Pantomime des stummen Dorftrottels Michael (John Mills, der zu recht den Oscar dafür erhielt, wobei sein Zahnprothesenmacher auch einen verdient hätte). Rose wird als »Engländerhure« beschimpft und ausgegrenzt.

Zu der Zeit kommen irische Rebellen unter Leitung von Tom O’Leary (Barry Foster) ins Dorf, um mit Hilfe der Bevölkerung Waffen am Strand zu bergen. Ryan verrät das an die Engländer. Natürlich sind alle im Dorf überzeugt, dass seine Tochter Rose als Geliebte des englischen Offiziers die Veräterin ist …

Ein Film von 1970? Wer schaut sich denn sowas im Kino an? Ich. Und zwar nicht, weil ich ein 70mm-Fanatiker wäre, sondern weil ich alte Filme mag. Und Kinovorführungen. Großes Bild, gewaltiger Sound, keine Werbeunterbrechung, volle Konzentration auf den Film.

»Ryans Tochter« ist nicht gerade kurz, die Vorstellung hat um 15 Uhr begonnen und ging inklusive Pause bis Viertel vor Sieben. Im Wohnzimmer vor der Glotze schafft man das kaum, die Laufzeit inklusive Werbepausen möchte ich mir lieber nicht vorstellen.

David Lean hat die Zeit gut genutzt. Die Geschichte hat alle Zeit der Welt, um sich zu entwickeln. Und die raue Schönheit Irlands wird ausgiebig in aller Pracht gezeigt. Für die wundervollen Bilder erhielt Kameramann Freddie Young den Oscar.

Die Bergung der Waffen bei Sturm ist grandios. Es ist eben ein Unterschied, ob man tatsächlich in meterhohen Brechern schwimmt oder alles nur am Computer generiert ist.

Erstaunlich auch, dass das armselige alte Dörfchen extra für den Film gebaut wurde. Die Arbeiten am Film zogen sich dementsprechend über zwei Jahre hin.

Von den Schauspielern fand ich Sarah Miles großartig, ebenso Trevor Howard und John Mills. Überhaupt, John Mills. Unglaublich, mit welcher Intensität der Mann spielt, und alles, ohne einen Satz sagen zu dürfen. Für mich am bewegendsten die Abschiedsszene, als er realisiert, dass sein großer Schwarm das Dorf verlassen wird.

Robert Mitchum erschien mir etwas blass; das kann aber mit seiner Rolle als etwas einfältigem Lehrer gelegen haben. Die Statisten fand ich ebenfalls überraschend gut. Die Massenszenen bei der Hochzeit, am Strand und gegen Ende des Films – ist wohl auch das Spezialgebiet von Regisseur David Lean gewesen.

Der Kinobesuch hat sich wirklich gelohnt. Schade, dass nicht ganz 20 Zuschauer den Weg in die Schauburg gefunden haben. Und schade, dass es den Soundtrack von Maurice Jarre nicht zu kaufen gibt.

Vier von fünf Sternen.